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Weichmacher

Weichmacher werden insbesondere dazu eingesetzt, Kunststoffe geschmeidiger zu machen, finden aber auch bei Farben und Lacken, Gummiprodukten und Filmüberzügen von Tabletten Anwendung. Insbesondere regelmäßig aufgebaute Kunststoffe neigen dazu, schon bei der Synthese teilkristalline Bereiche zu bilden, die hart und unverformbar sind. Infolge mechanischer Bewegungen können sich die kristallinen Bereiche im Laufe der Zeit vergrößern, so dass der Kunststoff durch Alterung immer härter wird. Weichmacher stören die Kristallisation und halten dadurch den Kunststoff geschmeidig. Bekannt und in Verruf geraten ist der Weichmacher Bis(2-ethylhexyl)phthalat (Diethylhexylphthalat, DEHP) welcher mit einem Anteil von bis zu 40 % in PVC enthalten ist (bzw. war). In der EU wurden 2007 291.000 t DEHP hergestellt, von denen 90 % in der Kunststoffindustrie verarbeitet wurden.

Das Problem ist, dass solche "äußeren" Weichmacher auch wieder aus dem Kunststoff herausdiffundieren oder sich herauslösen lassen können. Olivenöl ist z.B. ein ausgezeichnetes Lösemittel für Weichmacher, weshalb bei der Produktion sorgfältigst darauf geachtet werden muss, z.B. weichmacherfreie Schlauchleitungen zu verwenden. Auch Weichmacherverlust kann zur allmählichen Verhärtung des Kunststoffes führen. Statt bei der Polymerisation lediglich "äußere" Weichmacher hinzuzumischen, kann man weichmachende Moleküle auch durch Copolymerisation direkt in die Polymerkette mit einbauen ("Innere Weichmachung") Vinylchlorid lässt sich z.B. mit Vinylacetat copolymerisieren:

Formeln

2007 wurden bereits 437.527 t PVC auf diese Weise "weich gemacht" wohingegen nur 113.212 t PVC auf herkömmliche Weise mit Weichmachern versetzt wurden.

DEHP

DEHP ist auf den ersten Blick der ideale Weichmacher. Die Substanz wirkt akut weder toxisch noch reizend. Sie wird durch die Haut kaum resorbiert. Aufgrund des hohen Siedepunkts von 385 °C (= niedriger Dampfdruck bei Raumtemperatur) sind toxisch relevante Inhalationen bei Normalbedingungen unmöglich. Lediglich beim Verschlucken wird es teilweise in den Körper aufgenommen.

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht: Die Substanz ist aus der petrochemischen Wertschöpfungskette sehr leicht zugänglich und damit preiswert. DEHP wird aus Phthalsäureanhydrid und 2-Ethylhexanol hergestellt. Phthalsäureanhydrid wird durch katalytische Oxidation von o-Xylol und anschließende Dehydratitierung der zunächst erhaltenen Phthalsäure erhalten:

Reaktionsgleichungen

Die Herstellung des Alkohols beginnt mit der unter Druck erfolgenden und katalytisch unterstützten Hydroformylierung von Propen, durch die Butyraldehyd (Propanal) erhalten wird:

Reaktionsgleichungen

Aldolkondensation des Butyraldehyds mit sich selbst liefert 2-Ethyl-2-hexenal welches anschließend zu 2-Ethylhexanol hydriert wird.

Reaktionsgleichungen

Das mit "*" markierte C-Atom ist asymmetrisch (Es hat 4 verschiedene Substituenten). Die Verbindung ist also chiral. Da es aber keinerlei chirale Induktion gibt, wird das Racemat erhalten und auch so weiterverarbeitet. Die erste Veresterung mit Phthalsäureanhydrid erfolgt bereits spontan beim Mischen der Reaktanden. Die erhaltene Carbonsäure ist aufgrund des +M-Effekts des Hydroxy-Sauerstoffatoms nicht mehr so reaktiv, weshalb für die zweite Veresterung auf etwa 200 °C erwärmt und das Reaktionswasser mit dem Alkohol als Schlepper beständig entfernt werden muss (Gleichgewichtsverschiebung zu den Produkten). (Aceotrope Veresterung)

Reaktionsgleichungen

Wegen der großen hergestellten Mengen ist DEHP heutzutage ubiquitär nachweisbar. Die Langzeitexposition kann Hoden- Leber- und Nierenschäden auslösen, sowie ungeborene Kinder schädigen (z.B. Gewichtsveringerung, verlangsamte Knochenbildung). Die Hodenschädigung beruht auf einer hormonähnlichen Wirkung. Eingestuft ist die Substanz als fruchtschädigend und als entwicklungsschädigend. Die Verwendung in Babyartikeln und Kinderspielzeug ist inzwischen verboten, dennoch kann es sein, dass die DEHP-Belastung in Kindergärten höher ist als zu Hause, z.B. wenn dort PVC-Fußbodenbeläge vorhanden sind. Seit 2008 müssen Verbraucher darauf hingewiesen werden, wenn Produkte DEHP enthalten. Die als unbedenklich angesehene tägliche Aufnahmemenge liegt zwischen 20 µg/kg Körpergewicht/Tag (EPA) und 37 µg/kg Körpergewicht/Tag (CSTEE). Studien haben ergeben, dass die tägliche Aufnahme in der Bevölkerung z.T. über diesen Werten liegt. DEHP ist inzwischen in die REACH-Kandidatenliste aufgenommen und gilt deshalb als "besonders besorgniserregender Stoff". Ziel dieser Festlegung ist es, den Stoff mittelfristig aus dem Markt zu entfernen. Derzeit ist der Verbrauch von DEHP bereits rückläufig. Die hormonelle Aktivität lässt sich durch die Verwendung längerkettiger Alkohole drücken. In Europa bestehen Phthalat-Weichmacher bereits zu 80 % aus längerkettigen Alkoholresten, z.B. Di-isodecylphthalat (DIDP). Der Austausch von Weichmachern ist allerdings nicht so einfach, weil die neue Rezeptur die gleichen Produkteigenschaften der fertigen Kunststoffe ergeben muss. Z.B. bei medizinischen Produkten (Blutbeuteln) ist das derzeit noch schwierig.

Statt der Phthalate können auch ganz andere Substanzen als Weichmacher verwendet werden. Sehr vielversprechend sind Alkylsulfonsäureester. "Mesamoll" ist ein Gemisch aus n-Alkanen der Kettenlänge C13 - C17, die zu 75 bis 85 % ein Mal an irgendeiner Stelle der Kette sulfoniert und dann mit Phenol verestert worden sind. Der Rest besteht aus 15 bis 25 % zweifach sulfonierten und veresterten Ketten und 2 bis 3 % unsubstituierten Alkanen. "Mesamoll" wird speziell zur Substitution von DEHP eingesetzt.

Formel

"Mesamoll" hat keine Einstufung als Gefahrstoff.

Wie sollte man sich als Verbraucher verhalten?

Es besteht kein Grund, gar gleich alle Kunststoffe zu meiden. Kunststoffe, die bestimmungsgemäß mit Lebensmitteln in Berührung kommen, werden z.B. aus Polypropylen hergestellt, dessen Eigenschaften man durch die Reaktionsbedingungen bei der Polymerisation, gfls. auch durch Copolymerisationen einstellt. Hier können also keine Weichmacher freigesetzt werden. Im übrigen sind die Verhältnisse noch etwas unübersichtlich, weil z.B. DEHP für bestimmte Zwecke noch benutzt werden darf. Produkte, die Verbraucher direkt nutzen und anfassen, sollten aber frei von Schadstoffen sein. Dennoch entdeckt z.B. die Stiftung Warentest immer wieder Fälle, wo belastete Kunststoffe in Gebrauchsgegenständen verbaut worden sind. Da entsprechende Negativschlagzeilen von Herstellern gefürchtet sind, ist das bereits ein guter Schutz davor, mit Kunststoffen in Kontakt zu kommen, die schädlichen Weichmacher enthalten. Das gleiche gilt für Lebensmittel, die normalerweise keine gesundheitsschädlich bedenklichen Mengen an Schadstoffen enthalten. Problematisch sind Produkte aus außereuropäischen Ländern, sei es als grauer Import oder als von der Reise mitgebrachtes Schnäppchen. Es wird empfohlen, auf verlässliche Kennzeichnungen, z.B. das CE-Kennzeichen zu achten.

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